„Stell‘ Dir vor, es ist Alltag und keiner geht hin.“

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Wenn Sie mal in die Kiste gefallen sind, wird sich keiner daran erinnern, ob Ihr Geschirrspüler ordentlich ausgeräumt war. Ihre Kinder werden nicht erzählen, dass sie eine glückliche Kindheit hatten, weil’s bei Mutti immer so schön sauber war und sie nie Freunde mit nach Hause bringen durften, weil die ja so viel Dreck machen. Kindheitserinnerungen werden nicht davon geprägt sein, dass der Blick durch die Fensterscheiben glasklar war und die Unterwäsche gebügelt.

Ganz sicher wird für Vati nicht die ultimative Lobhudelei angestimmt, nur weil er ständig weg war, um Geld zu verdienen, damit er den SUV und den Urlaub auf Malle finanzieren kann.

Auch die Nachbarn werden nicht an Ihrem Grab tuscheln:

„Na der geschieht es recht, dass sie gestorben ist. Hast du die dreckigen Fenster gesehen? Kein Wunder, dass Gott sie für so viel Sünde straft!“

All‘ das wird nicht passieren.

Eigenartigerweise werden die Leute, mich eingeschlossen, um die Jahreswende irgendwie einsichtiger, sentimentaler. Es wird über das Leben nachgedacht. Das Verwunderliche ist nicht, dass sie es tun, sondern welche Richtung die Gedanken nehmen. Da gehts um Abnehmen, Rauchen aufhören und mehr Sport treiben. Tun, machen, erledigen, besorgen….

Aber, warum eigentlich?

Wenn Sie bisher gerne gegessen haben, ok. Wer hin und wieder mal ne Fluppe raucht, ok. Und Sport ist eh Mord. Oder? Wieso muss ich mich fremdbestimmt um Sachen kümmern, die mir keinen Spaß machen?

Es geht im Leben, doch nicht darum Standards zu entsprechen, sondern sich wohlzufühlen. Mein Tipp: Was Sie gegebenenfalls einschränken sollten; der Anspruch, perfekt sein zu wollen.

Falls Sie es noch nicht wissen .

Ihre Uhr tickt.

Wann Sie Ihren Löffel abgeben, keine Ahnung. Sie werden jedoch das Zeitliche segnen, das ist ganz sicher.

Rein statistisch gesehen werden ca.5 Menschen, die jetzt meinen Blog oder meine Facebooks News lesen, im nächste Jahr nicht mehr leben. Das soll Ihnen keine Angst machen. Nur Ihren Blick für das Wesentliche schärfen.

Viele meiner Bekannten plagen sich das ganze Jahr mit ihrer Arbeit, üben den Spagat zwischen Kindern, Haus und Karriere. Konsumieren ordentlich, damit sich die Müllberge biegen, kaufen die neuesten Modefetzen, richten ihre Bude teuer ein und rennen Dingen hinterher die sie eh nie erreichen werden.

Und für was?

Mehrmals im Jahr sind sie so erschöpft, dass der Urlaub gar nicht weit weg genug von zu Hause gebucht werden kann. Nur um sich am Pool von ein paar Gaudiburschen in bunten Shorts unterhalten zu lassen und die künstlich angelegte Palmenlandschaft zu bewundern?

Zu Hause wird der teuer angelegte Garten vom Nachbarn genossen, der Hund ins Hundehotel gegeben und der Anrufbeantworter auf nicht erreichbar gestellt.

Letztlich sind viele vom Leben gestresst. Aufgebürdet haben sie es sich selbst.

„Ich muss wegfahren, damit ich zur Ruhe komme. Die ganzen Mails und dann der Alltag. Da komme ich einfach nicht dazu mich zu erholen.“

Was meiner Meinung nach viele vergessen… Wir haben einen freien Willen. Es zwingt uns niemand dazu, außerhalb unserer Arbeitszeit Mails zu checken oder den Großputz an den Feiertagen zu erledigen.

Versuchen Sie doch einfach mal Folgendes:

„Es ist Alltag und ich gehe nicht hin.“

An diesem Wochenende keine Mails, keine Verpflichtungen, keine Termine. Glauben Sie mir, das geht! Ich hab‘s ausprobiert. Und wissen Sie, was passiert ist?

Mir war langweilig. Langeweile! Kenne ich nur aus meiner Kindheit. Zunächst wusste ich gar nicht, was tun? Die Versuchung doch die Bügelwäsche anzufeuchten oder den Rasenmäher auszupacken war groß. Vielleicht wenigstens das Auto saugen oder den Badezimmerspielgel putzen? Aber ich habe widerstanden. Direkt stolz war ich da ein wenig auf mich. Dann habe ich mir überlegt, worauf hast du wirklich Lust? Und siehe da, mir ist tatsächlich etwas eingefallen. Sport war’s definitiv nicht, auch nicht den Fernseher anstellten oder die Ablage im Büro erledigen. Nein.

Aber tagsüber, ohne schlechtem Gewissen, ein Buch lesen, im Garten sitzen und den Bienen bei ihrer Arbeit zusehen. Mit Freunden telefonieren und nicht nur Whatsapp Nachrichten schicken. Hab ich mir einfach erlaubt. Einfach so, weil ich es kann. Weil ich es mir wert bin.

Klar es hat eine Weile gedauert, aber plötzlich war mein Wochenende voller wertvoller, selbstbestimmter und entspannter Momente.

Nur Mut, sie schaffen das auch!

Und wenn ein ganzes Wochenende zu viel verlangt ist, dann fangen sie einfach mit HEUTE an. Denn was morgen ist, wissen wir nicht …

Wer zuerst lacht, lacht am besten!
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Omi auf den Kompost ?

Lesezeit 2 Minuten

Erdgrab oder ab in die Urne? Wie phantasielos…

Einfach im Sarg rumliegen und warten, bis die Natur ihren Lauf nimmt? Nein, dass, ist so gar nicht trendy und zeitgemäß.

Mit den „Überresten“ meiner Liebsten kann ich künftig den Garten düngen. Und ein Anzug aus Pilzen und Organismen, sorgt dafür, dass mein Leichnam noch schneller von dieser Erde verschwindet.

Es rumst gerade gewaltig, was die Bestattungskultur der modernen Zeit angeht.

Der Trend geht zu Öko und wiederverwertbar. Angesagt ist die schnelle Entsorgung der Toten auch mithilfe von kleinen Tierchen die sich um die sterblichen Überreste zum Mindestlohn kümmern.

Achtung! Gefährliche Leichen!

„Ein Leichnam ist nach einem ganzen Leben in der Regel voller Medikamente, Umweltchemikalien oder Schwermetalle“, sagt Bestatter Joerg Vieweg. Laut des Zentrums für Seuchenkontrollen in den USA sollen es sogar über 200 Substanzen sein. Streng genommen ist ein Leichnam also eine echte Gefahr für Böden und Grundwasser. Pilze können Giftstoffe neutralisieren, sie in ihre Bestandteile zersetzen und damit unschädlich machen.

Die gebürtige Südkoreanerin Jae Rhim Lee hat deswegen einen speziellen Anzug erfunden.

Den „Infinity Burial Suit“

Er ist gespickt mit Pilzen und Mikroorganismen, die nicht nur den Zersetzungsprozess der Leiche beschleunigen, sondern auch sämtliche Schadstoffe filtern. Übrig bleibt auch hier am Ende lediglich Erde. Den Anzug gibt es in verschiedenen Größen und er kostet 1.500 Dollar.

Aber es gibt noch eine weitere Möglichkeit umweltschondend über den Tod hinaus zu wirken.

Wie zum Beispiel „Recompose“

So heißt die Idee der US-Amerikanerin Katrina Spade. Die Architektin und Designerin arbeitet seit 2014 daran, eine professionelle und würdevolle Kompostierung von Verstorbenen möglich zu machen. Menschen sollen zu Erde werden — das schone die Umwelt und gebe dem Verstorbenen einen Sinn über den Tod hinaus, heißt es auf der Homepage der Initiative. Seit dem 19. April 2019 ist diese Methode im US-Bundesstaat Washington legal, ab Mai 2020 kann es dann auch mit den ersten Kompost-Gräbern losgehen.

Sehr smart. Ich für meinen Teil habe aber nicht vor auf dem Kompost zu landen oder in einem häßlichen Anzug krümelige Erde zu werden. Da bin ich wohl doch etwas altmodisch.

Quelle Buten und Binner Nachrichten

Drinks de ene met ?

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Wenn ich auf der Palliativstation mithelfe, dann mache ich mich meist in der Küche nützlich. Nicht das ich die Küchenarbeit liebe, weiß Gott nicht, aber damit leiste ich tatsächlich einen wertvollen Beitrag für die Patienten. Denn durch die Unterstützung der Hospizhelfer haben die Schwestern und Pflegekräfte mehr Zeit für die notwendige Versorgung oder kommen selbst mal zum durch schnaufen. Die freien Momente werden dazu genutzt, die Spülmaschine auszuräumen oder die Patientenzimmer von dem benutzten Geschirr zu befreien. Das Essen wird nach den Wünschen der Gäste (so werden die Patienten genannt) angerichtet und es wird auch nachgefragt, welches Getränk passen könnte. Natürlich haben wir in meiner Hauptstadt des Bieres auch welches im Kühlschrank und es wird außerordentlich gerne genommen.

Als ich das Zimmer von Herrn Ehrhard betrete, sitzt er aufrecht im Bett und sieht mich erwartungsvoll an. Er ist seit zwei Wochen in palliativer Behandlung und wird in wenigen Tagen in ein nahe gelegenes Hospiz umziehen. Wissend dass er nur noch eine kurze Zeit zu leben hat, stört es ihn allerdings nicht Scherze zu machen. „Ach et küt wie et kütt“ antwortet er mir auf die Frage, wie es ihm denn heute gehe. Ein Kölner !

Tja das könnte die Verständigung schwierig machen, denn meinen bayerischen Dialekt kann ich beim Aufschreiben ins Hochdeutsche übertragen. Aber so Auge in Auge? Da muss ich mich auf meine Aussprache konzentrieren. „Kann ich denn irgendwas Gutes für Sie tun?“ „Alles Jut. Wat wells de maache. Nix bliev wie et es“

Ok, soweit habe ich ihn verstanden.

Natürlich merkt er, dass ich nicht alles verstehe und er bemüht sich um krakeliges Hochdeutsch. „Haben se denn een Bierchen für mich? Wissen se, Kölsch ist die einzige Sprache, die man och trinken kann.“ Er lässt es sich nicht anmerken, dass ihm die Medikamente zusetzen und ihm starkes Unwohlsein verursachen. Bei der Besprechung mit dem Pflegepersonal bin ich darauf hingewiesen worden, daß er oft erbrechen muss und er nur ganz kleine Essensportionen verträgt.

Zusammen mit dem Abendessen bringe ich ihm das gewünschte Bier. Sein Menü, eine Buchstabensuppe, dekoriert mit Petersilie und einem kleinem Stückchen Brot stelle ich auf den Patiententisch. Als er das sieht, fängt er lauthals zu lachen an und prustet:

„Do laachs dich kapot. Ene Supp‘ mit Buchstaben! Da kann isch heut Geschichten kotzen!“

Wir lachen beide fast schon ein wenig zu laut und als er zu seinem Bierchen greift, fragt er mich gespieltem Ernst: „Sind se mit dem Auto da?“ „Ja, warum?“ „Schad, dann könn se jet keene met drinken, aber ich schon. Und kann och noch jemütlich hier liegen bleiben. Nix es esu schlääch dat et nit och für et joth wör“

Wie wahr, wie wahr …

Freiheit für die Asche!

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Greta Thunbergs Einsatz wirkt auch über den Tod hinaus.

Neue Bestattungstrends. Ökologisch, biologisch und zukunftstauglich. Was weiß ich, wo das noch hinführt. Aber erfinderisch ist der Mensch an sich ja schon …

Promession — Pulver durch schockfrosten

Die Idee stammt von der Schwedin Susanne Wiigh-Mäsak. Anstatt jahrzehntelang im Boden zu verrotten oder unter hohem Energieaufwand zu verbrennen, kann sie sich gut vorstellen, schockgefrostet zu werden. Dadurch verliert der Leichnam Flüssigkeiten, er wird brüchig. Rotationen lassen ihn zu Granulat zerfallen. Metalle, wie zum Beispiel Zahnfüllungen, zieht ein Magnet aus dem geruchsfreien Pulver. In einer kompostierbaren Urne kann der Angehörige dann — zumindest theoretisch — im Blumenbeet bestattet werden. Auch hinter dieser Idee verbirgt sich der Gedanke, die Umwelt zu schonen und in einem neuen Organismus weiterzuleben. Für diese Idee setzt sich die Schwedin in der ganzen Welt ein, durchsetzen konnte sich das Konzept aber noch nicht.

Aber auch der pfiffige Bestatter Joerg Vieweg und möchte zur Diskussion anstoßen. „Freiheit für die eigene Asche“ Bremen ist so liberal, wie kein anderes deutsches Bundesland: Seit 2015 kann in der Stadt Bremen die Asche von Angehörigen, die ihren letzten Wohnsitz vor dem Tod in Bremen hatten, im eigenen Garten vergraben oder verstreut werden. Vor dem Tod muss dafür lediglich die passende Bestattungsverfügung ausgefüllt werden. „Bis Ende 2018 sind 86 dieser Anträge bei uns eingegangen“, sagt Kerstin Doty vom Umweltbetrieb Bremen. Bis andere Bestattungsmethoden zum Standard werden können, müssten aber wohl erst zahlreiche Gesetze geändert werden, vermutet Doty.

Oder als Alternative die Resomation — sich auflösen

Hier wird der Körper mit einer speziellen Lösung besprüht und in einem Druckbehälter, dem sogenannten Resomator, unter hohen Temperaturen und hohem Luftdruck zersetzt. Das Ganze dauert etwa drei Stunden, übrig bleibt ein weißes Pulver. „Das kann dann ganz normal in einer Urne beigesetzt werden“, sagt Vieweg. Diese Methode verbrauche weitaus weniger Energie, sei schneller und umweltschonender als die herkömmliche Verbrennung im Krematorium, so Vieweg. In den USA und Kanada darf teilweise bereits resomiert werden, Belgien und die Niederlande denken darüber nach. Auch für Deutschland sei die Resomation wohl die wahrscheinlichste Neuerung der kommenden Jahrzehnte, glaubt Joerg Vieweg. „Es ist günstiger, schneller, sauberer und die Technik ist schon länger auf dem Markt.“

Grüne Linie — lokal und ressourcenschonend

Die Idee ist simpel: Der letzte Fußabdruck, den Menschen auf der Erde hinterlassen, soll möglichst ökologisch und nachhaltig sein. Der Bestatter Werner Kentrup aus Bonn hat die Initiative ins Leben gerufen. Praktisch sieht das dann so aus: Statt glänzenden Särgen oder Trauerkarten entscheidet man sich zum Beispiel für einen schlichten Kiefernsarg, der lokal produziert wurde und biologisch abbaubar ist. Gleiche Prinzipien gelten für Blumen oder den Grabstein: Welche Blumen blühen gerade in der Natur? Welchen Stein findet man ganz natürlich in der Region? Die Grüne Linie ist der wohl einfachste Weg, den letzten Weg eines Menschens umweltschonender zu gestalten. (Quelle Buten und Binner Nachrichten)

Was tun?

Ganz ehrlich, jetzt bin ich schon etwas verwirrt. Dann tragen die vielen, nicht ökologisch wertvoll versorgten Leichen Mitschuld an der Umweltverschmutzung?

Au Backe! Da bin ich jetzt aber sehr vorsichtig, mit dem, was ich so alles zu mir nehme. Sonst komme ich in den Pilzanzug der mich in Windeseile zersetzt. Gibts tatsächlich. Was das bedeutet? Davon lest ihr in meinem nächsten Blog …

Ich habe gerade Zeit, wo gibts nichts zu tun?

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Eines hat sich definitiv für mich verändert, seit ich in der Sterbebegleitung bin: der Begriff von Zeit.

Wenn es einen wahrhaftigen und unbezahlbaren Schatz gibt, dann meine ganz persönliche Zeit.

Es ist für mich der Inbegriff von Gerechtigkeit. Wir haben alle die gleiche Zeit, wir wissen alle nicht wie viel wir davon haben und wann sie verbraucht ist. Kein Mensch der Welt, egal wie groß die Rolex an seinem Handgelenk ist, oder seine Villa auf Malle, kann mehr Zeit für sich verbrauchen, als ihm zugedacht ist.

Jeder von uns hat seine eigenen Möglichkeiten Zeit zu nutzen. Dabei gibt es für mich kleine feine Unterschiede.

Es gibt Menschen die Schreiben mir, wenn sie Zeit haben und andere nehmen sich die Zeit mir zu schreiben. In beiden Möglichkeiten wird die Zeit genutzt, jedoch mit einer anderen Wahrnehmung.

Wenn ich meine Zeit aufrichtig einteile, verschenke oder vergeude mit Dingen, die in diesem Moment gut für mich sind, dann tut mir das gut. Meine Zeit zu verweigern, nicht zu verschenken, egoistisch für mich zu behalten, fühlt sich für mich allemal besser an, als Erwartungen zu erfüllen, wie ich meine Zeit zu verbringen habe. Die Qualität der Zeit verändert sich mit der Haltung in der ich sie verplane.

Die Zeit wird mit der Zeit immer wichtiger…

In meinen Begleitungen erlebe ich sehr oft, dass vertane Zeit betrauert, bereut wird. Am Ende sehen wir die Wichtigkeit der Zeit und Ihre Bedeutung. Viele erkennen das leider erst zum Schluss.

Aber die kostbaren Momente im Leben, die guten Zeiten, helfen in den letzten Stunden. Machen es leichter loszulassen, nicht mit dem Gegebenen zu hadern. Wenn die Zeit hier auf Erden gut und qualitätsvoll genutzt wurde, ist das am Ende eine sehr schöne Erkenntnis.

Meine liebe, alte Dame, die ich neulich besucht habe, jammerte fürchterlich, als ich bei Ihr war. Mit gutem Grund, denn ihr Gesundheitszustand wird immer schlechter, sie hat Schmerzen, und ich glaube viel Zeit bleibt ihr nicht mehr. Um sie etwas abzulenken, fragte ich, was ich für sie tun könnte, was ihr denn Freude bereiten würde. Darauf hin antwortete sie mir: „Sie machen mir Freude, mit ihrem Besuch und das sie mir ihre Zeit schenken!“

…und es fühlte sich für mich richtig an, in diesem Moment meine Zeit dieser schwerkranken, lieben, alten Dame zu schenken …

Ist das ein Gespräch, oder kann das weg?

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„Wie geht‘s dir?“ Eine alltägliche Frage. Wir stellen sie mehrmals am Tag, ohne uns die Zeit zu nehmen, die Antwort abzuwarten. Es ist zu einer Floskel geworden. Ohne Anspruch auf Erfüllung. Wehe es antwortet jemand nicht mit „Gut“ oder „Passt schon.“Dann erliegt man einem ungewolltem Gespräch oder spricht eine willkommene Einladung an den Hypochonder aus.

Auch ich ertappe mich dabei, die Floskel „ Alles Ok?“ zu benutzen. Einfach mal nachzufragen, banal, ohne eine ehrliche Antwort zu erwarten. Meist hat es keine Auswirkung auf mein Gemüt und der Gefragte fühlt sich nicht wirklich angesprochen. Unverbindliche Höflichkeitsfloskel. Gut für beide.

So eine oberflächliche Nachfrage kann aber in der Begegnung mit Schwerstkranken ziemlich nach hinten losgehen.

„Wie soll es mir schon gehen? Ich bekomme gerade meine vierte Chemo.“ Das entgegnete mir damals meine Mutter, als ich mit der Floskel “Wie gehts dir?“ ins Zimmer stürmte. Da wurde mir schlagartig klar, dass ich der prekären Situation, mit meiner unsensiblen Frage, noch ordentlich Futter gab.

Das ist jetzt schon einige Jahre her, aber noch immer mache ich mir Gedanken, womit ich das Gespräch beginnen soll, wenn ich in das Zimmer eines Kranken gehe.

Wie spreche ich mit jemanden der, wie ein Häufchen Elend im Bett liegt? Womöglich sich wenig oder unverständlich mitteilt. Was sage ich denn, wenn mich die Augen eines geliebten Menschen verloren ansehen, in der Hoffnung, ich hätte eine Lösung? Wie reagiere ich denn, wenn jemand vor mir liegt, den ich kaum wiedererkenne weil die Krankheit an seinem Körper bis zur Unkenntlichkeit an ihm gezehrt hat. Oder noch schlimmer, wenn der Tod greifbar nah ist, es alle wissen und spüren? Was sagt man denn da?

Es erfordert etwas Mut…aber es ist leicht zu schaffen.

Eine enorme Herausforderung, das Richtige zu sagen, sich richtig zu verhalten den perfekten Wortlaut zu treffen. Das ist oft der Grund, warum viele sich nicht in das Krankenhaus, auf die Palliativstation oder in das Hospiz trauen. Die Scheu vor der Kommunikation mit Sterbenden ist groß und die Angst, etwas falsches zu sagen, oder gar sprachlos zu sein hält davon ab, sich überhaupt in diese Lage zu bringen.

Oft höre ich: „Petra, was sagst du denn, wenn du zu deinen Begleitungen gehst? Gibt es da ’ne Regel?“ Nein, gibt es nicht. Es ist immer eine besondere Situation und auf manches kann ich mich vorbereiten, aber auf vieles nicht.

Mein Tipp für solche Fragen?

Authentisch sein. Ehrlich antworten. Wer am Herrgotts Türchen steht, hat keine Zeit und Lust mehr auf blödsinnige Floskeln oder umständliche Worte. Da ist Geradlinigkeit gefragt. Das ist nicht einfach, ich weiß, aber nach meinen Erfahrungen ist es der richtige Weg. Solang ich aufrichtig bei meinen Begleitungen bin, ehrlich antworte, und mich nicht verstelle, habe ich direkten Kontakt. Da sollte ich nichts mehr über die Langzeitwirkung von Globoli erzählen, sondern den „Istzustand“ annehmen. Zuhören, miteinander schweigen oder auch miteinander weinen.

Und wenn schon die Frage „ Wie geht‘s dir? „im Raum steht, weil man sie wieder viel zu schnell und unüberlegt ausgesprochen hat, dann würde ich noch ein kleines Wort anhängen. … „Wie geht‘s dir HEUTE?“ „Wie fühlst du dich JETZT?“

Und schon ist es keine Floskel mehr. Ich bin direkt bei der Person. Frage ehrlich und zeige aufrichtiges Interesse. Dann befinde ich mich gemeinsam, mit meinem Gegenüber, im Hier und im Jetzt. Das HEUTE und das JETZT zählt, denn viel mehr Zeit haben meine Begegnungen meist nicht mehr.

Wetterapp und Tod?

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Alle Jahre wieder. Weihnachten. Wenn ich beim Einkaufen bin und mir die Weihnachtmänner freundlich zulächeln, überrascht es mich dann doch wieder, wenn das Jahr so schnell vorbeigeflogen ist. Scheibenkratzen am Auto. Plötzlicher Wintereinbruch. Und das Mitte November! Unglaublich. Das konnte ich nun wirklich nicht voraussehen.

Irgendwie habe ich das Gefühl, mit zunehmenden Alter vergeht die Zeit schneller. Eigentlich eine Ungerechtigkeit. Je weniger Lebenszeit einem bestimmt ist, desto schneller verfliegt sie. Wo bleibt denn da die Logik?

Meiner Meinung nach ist der Tod heutzutage für uns eine noch größere Herausforderung als für unsere Vorfahren. Wir sind doch gewohnt alles im Griff zu haben. Wir wissen zum Beispiel, ob es in drei Stunden regnet. Ein Blick auf die App genügt. Wie viel Schritte wir machen, welche Nährwerte unser Essen hat, ob die Straßen frei sind, wo Stau ist. Wenn uns etwas unklar ist, dann gibt Doktor Google genau Auskunft. Wir können genaue Kalkulationen erstellen, Prognosen und Statistiken. Für fast alles gibt es Portale die erklären, wie das Leben geht, was wir tun sollen oder besser nicht. Ein Gefühl der Kontrolle. Der Übersicht.

Aber was ist mit dem Tod? Ok, klar, da gibt es eine Fülle an Informationen, aber wir haben keinerlei Einfluss darauf, wann er kommt, wie er uns an die Hand nimmt, ob der Zeitpunkt richtig ist. Da gibt‘s noch keine App, die uns vorwarnt: „ Achtung Ihre Lebenszeit läuft in drei Jahren ab. Regeln Sie Ihre Angelegenheiten, besuchen Sie Ihre Freunde, gehen sie auf Reisen, nehmen sie sich Zeit für Dinge, die wirklich wichtig sind.“ Warum sagt denn keiner Bescheid? Soviel Technik, und wir haben keine Kontolle?

Aber halt, da ist ja doch etwas das wir steuern können… zwar genau jetzt! Dazu brauchen wir weder eine App noch einen Hellseher. Sterben werden wir alle. Fakt. Und bis dahin haben wir (hoffentlich) eine Menge an Leben. Auch Fakt.

Viele haben die Möglichkeit, das Leben selbst in die Hand zu nehmen. Etwas zu verändern. Und sei es nur im Kleinem. Es ist jederzeit möglich. Dazu brauchen wir keine App …

Gekonnte Wortakrobatik

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Mir rennt die Zeit davon! Mist! Jetzt war ich längere Zeit nicht mehr bei meiner lieben, alten Dame. Sie fehlt mir.

Sie ist im Krankenhaus, es geht und geht ihr leider immer schlechter. Normalerweise besuche ich meine Begleitungen im Krankenhaus, aber bei mir haben sich die Termine überschlagen und das Klinikum liegt leider am anderen Ende der Stadt. Aber das gehört für mich zu einer ehrlichen Begleitung. Wenn Besuche schwer möglich sind, dann muss auch ich mir eingestehen, dass meine Möglichkeiten begrenzt sind.

Trotzdem habe ich dann ein schlechtes Gewissen. Blöd eigentlich, denn niemand zwingt mich, ich habe keinen beruflichen Auftrag und auch keinen Chef der hinter mir steht. Genau das macht ja die Hospizarbeit für Betroffene so wertvoll.

Wenn ich meine liebe, alte Dame besuche, dann ganz freywillig (sorry, das Wortspiel konnte ich mir jetzt einfach nicht verkneifen).

Doch selbst für mich, als ausgebildete Hospizhelferin und zertifizierte Krisenbegleiterin, ist es durchaus schwierig, Menschen gegenüber zu stehen, die starke Schmerzen haben. Oder wie in dem Fall meiner lieben, alten Dame die ständig nach Luft ringt und mich mit hilflosem, todgeweihtem Blick anschaut:“ Warum habe ich nur so Pech? Wieso trifft es mich so schlimm? Wissen Sie denn eine Behandlungsmethode, die mir hilft? Sie müssen das doch wissen! Sie sind doch immer bei kranken Menschen. Sie kennen bestimmt einen guten Arzt, der mir helfen kann, oder?

Nein, ich weiß keinen Arzt, der den Sterbeprozess aufhalten kann. Nein, ich kenne keine neue Behandlungsmethode. Nein ich kann nicht helfen. … Ich würde so gerne etwas anderes sagen.

Was ich tun kann?

Da sein. Nicht die Flucht ergreifen, wenn mir die Antworten ausgehen. Zuhören, Stille aushalten. Wehklagen erdulden. Bleiben, und wieder kommen.

Das ist eine ganze Menge, obwohl ich manchmal das Gefühl habe, nichts zu tun.

Als ich letztes Mal bei ihr war, saß sie, zerbrechlich, ein kleines Häufchen Mensch, in dem viel zu groß geworden Sessel im Wohnzimmer. Wie immer hing ein feines Gewirr von Plastikschläuchen an ihrem Hals. Sie saugte die Luft durch die Öffnungen gierig durch die Nase ein und stöhnte den mühsam erarbeiteten Sauerstoff wieder aus. Die Konzentration, genügend Luft zu bekommen, erschöpfte sie vollends.

„Ach Frau Frey, es ist so furchtbar, alles so furchtbar. Das ist doch kein Leben mehr“ klagte sie mit leiser Stimme. Es ging ihr wirklich beschissen und in diesem Moment fiel mir wirklich nicht mehr dazu ein. Obwohl ich normalerweise solche Ausdrucksweisen, nicht nur meinen Kindern, sondern auch mir, verboten habe, hörte ich mich sagen:

“Sie haben so recht! Das ist echt, alles eine verdammte Scheiße!“

Mit großen Augen und wie vom Donner gerührt, sah sie mich an. Plötzlich lachte sie, so gut es ihr kurzer Atem zuließ, laut auf:“ Mein Gott, Frau Frey, was habe sie recht. Das ist wirklich alles eine verdammte Scheiße!“

Sie lachte und lachte, dass ich schon Sorge hatte der Sauerstoffkasten neben ihr würde kollabieren. Aber sie strahlte mich an, wie ein kleines Kind, das heimlich Schokolade genascht hatte. „Endlich mal jemand der nicht ewig um den heißen Brei redet. Ich kann das ganze Geschwafel der anderen schon nicht mehr hören. Danke Frau Frey das tut wirklich gut.“

Heißer Draht zum Himmel

Lesezeit 1 Minute

Bei einer Patientin erlebte ich eine so wunderbar herzliche,
kindliche Szene, die zeigt, wie unbefangen Kinder mit dem Tod
umgehen, wenn man sie nur lässt.
Die kleine Tosca, ein Mädchen von ca. 5 Jahren, blonder
Lockenkopf mit roten Backen, besuchte ihre Oma im Hospiz.

Mit einem forschen Blick stellte sie sich an das Kopfende des
Krankenbettes und betrachtete die alte Dame, die ihrem Ende
entgegensah.

„Oma“, sagte sie ganz liebevoll, „Mama hat gesagt du gehst
jetzt dann zum Opa in den Himmel rauf. Aber sie hat auch gesagt,
dass ich da jetzt noch nicht mitkommen kann. Ich muss erst selber
eine Oma werden. Stimmt das?“ Mit einem verschmitzten Lächeln
deutete das kleine Mädchen nun auf einen Brief. Bunte Herzchen
und Rosen zierten den kleinen Zettel. Nun hielt sie ihrer Oma das
wertvolle Kunstwerk direkt vor die Nase. „Nimm doch bitte den
Brief mit. Der ist für den Opa.“ „Was steht denn drin?“ „Das ist
mein Wunschzettel für das Christkind. Opa muss Bescheid sagen,
dass mein Schlitten immer noch kaputt ist. Da muss mir das
Christkind einen neuen bringen. Weil doch der liebe Gott jetzt
meinen Opa hat. Der kann meinen Schlitten ja nicht mehr
kleben.“

Mit einem herzhaften Lachen nahm die Oma den Brief,
versprach der Kleinen den Auftrag auszuführen. Sicherlich fand sich
am Heiligen Abend ein neuer Schlitten unter dem Weihnachtsbaum,
direkt organisiert durch Opa‘s heißen Draht zum Christkind.

Keiner kommt hier lebend raus!

Auch wenn wir ihn nicht wollen, den bösen Tod, eine statistische Tatsache ist, dass in jeder Sekunde 1,8 Menschen auf dieser Erde sterben. Mehr als 150.000 Menschen sterben innerhalb von 24 Stunden.

Das bedeutet, während Sie jetzt diesen Satz zu Ende gelesen haben, dass bereits zwei Menschen verstorben sind. Der nächste Satz würde dann bedeuten… Oh, jetzt sind es schon vier, dann sind wir ganz schnell bei sechs, und eh man sich umsieht, geht das Sterben im Zweisekundentakt weiter.

Der Tod ist allgegenwärtig und das Irrsinnige ist, wir bekommen davon oft gar nichts mit. Zeitlich und räumlich sind die Toten für uns schon fast unsichtbar, so unterschiedlich verteilt, dass wir in unserem normalen Alltag das Sterben nicht bemerken.

Das Sterben fällt uns erst dann auf, wenn entweder in unserer direkten, unmittelbarer Nähe gestorben wird oder wenn viele Menschen auf einmal sterben. Das können wir beobachten, wenn sich ein großes Unglück ereignet. Eine Überflutung, ein Erdbeben oder ein Flugzeugabsturz und wir sind in unseren heilen Weilt erschüttert. Plötzlich bemerken wir ihn, den Tod, und dass er gar nicht soweit von uns entfernt ist.

Der Tod schafft es auch nur in die Nachrichten, wenn viele Menschen auf einmal ihr Leben verlieren, oder wenn ein Filmstar oder Politiker zu Tode kommt. Um genügend Aufmerksamkeit zu bekommen, muss der Tod schon zur Schlagzeile taugen.

Wie wäre es, wenn tatsächlich für 24 Stunden nirgendwo auf der Welt jemand über den Jordan gehen würde und dafür am nächsten Tag alle auf einmal? Das wäre ein regelrechter Schock. Wir würden ziemlich doof aus der Wäsche schauen bei soviel Leichen.

Das wären circa 155.520 Menschen auf einmal. Das entspricht der gesamten Bevölkerung der Stadt Regensburg in Bayern. Würde man die Toten aneinander reihen, also der Länge nach, dann gäbe das eine Strecke von circa. 264 km. Das entspricht einer dreistündigen Reise von Bremen nach Düsseldorf. Ohne Berufsverkehr oder Stau. An einem einzigen Tag!

Der Tod ist präsenter als wir glauben, nur nehmen wir ihn nicht gerne bewusst wahr.

„Wenn du mehr auf Beerdigungen gehst als auf Partys, dann merkst du, dass du alt bist!“, so die Quintessenz meiner Tante Franziska. „Ab einem gewissen Alter trifft man seine Freunde eher in der Aussegnungshalle als in der Disco.“ So unrecht hat die gute Tante Franziska gar nicht.

Ab einem gewissen Alter ist man näher dran. Die Eltern unserer Freunde sterben. Die Weggefährten der letzten Jahrzehnte werden immer weniger. Ja, da fällt uns schleichend auf, dass auch wir sterblich sind. Da bemerken wir ihn, den Burschen mit der Sense.