„Und, wie geht denn das Sterben?“ „Keine Ahnung, ich lebe ja noch.“

Lesezeit 3 Minuten

Wie versprochen, hier die erste Leseprobe meines noch unveröffentlichten Buches „Lizenz zum Händchenhalten“ :

Vorwort:

„Mein Name ist Frey. Petra Frey. Ich bin Hospizhelferin.“

Ganz ehrlich, es fällt mir schwer, mir vorzustellen, dass es mich irgendwann nicht mehr gibt. Meine Fantasie reicht dafür nicht aus. Jammerschade, doch ich werde meinen Tod nicht vermeiden können. Und das Ganze ohne brauchbare Informationen in der Tasche zu haben, was da auf mich zukommt.

Das passt mir überhaupt nicht!

Dummerweise interessiert das den Kapuzenmann nicht die Bohne. Ihn deswegen beleidigt zu ignorieren, macht allerdings auch keinen Sinn. Wie heißt es so doch schön? „Wer den Kopf in den Sand steckt, bringt seinen Hintern in eine gefährliche Situation.“

Seit ich Sterbende auf ihrer letzten Reise begleite, ist der Tod so etwas wie ein Kumpel von mir geworden. Er demonstriert mir, wie es am Ende aussehen könnte, und zeigt sich mir von seinen vielfältigsten Seiten. Wenn ich genau hinsehe, dann lüftet er so manches Mal ein kleines Geheimnis und offenbart mir, wie wertvoll und einzigartig das Leben sein kann.

Gerne hätte ich einen praktischen Ratgeber geschrieben. Darüber, wie Ihnen das Sterben gut gelingen möge oder was nach Ihrem Tod auf Sie wartet. Mit Vergnügen würde ich Ihnen verraten, wie Sie fröhlich pfeifend dem Sensenmann ins gelobte Land folgen. Doch da muss ich Sie enttäuschen. Ich weiß auch nicht, wie sterben geht oder was danach kommt. Ich lebe ja noch. Niemand weiß es. Es gibt da einige Spekulationen und etliche Religionslehren, die vorgeben, Bescheid zu wissen.

Beweise gibt es freilich nicht.

Bisher ist noch niemand aus dem Jenseits zurückgekommen, um uns zu berichten, was für ein Programm läuft. Wer gestorben ist, bleibt tot für immer. Auch wann und wie uns der Sensenmann holt, weiß keiner von uns. Allerdings werden wir es sicher irgendwann erfahren.

Schon Benjamin Franklin hat gesagt: „Nichts ist so sicher wie der Tod und die Steuern.“

Doch es gibt Vorbereitungen, planbare Eventualitäten und direkte Wege, sich dabei Unterstützung zu holen. Vieles können Sie vorher noch in Ordnung bringen. Vielleicht wird damit der Abschied nicht so heftig. Ich meine, es liegt ein beträchtlicher Unterschied darin, wie wir unsere Koffer für die unbekannte Reise packen. Gerne zeige ich Ihnen, wie Sie Ihr Rüstzeug zusammenstellen und welchen Ballast Sie getrost abwerfen können. Mit meinen Erfahrungen in der Sterbebegleitung möchte ich Ihnen Mut machen, Sterbende zu begleiten, für sich selbst zu sorgen und den Tod als Ihren Freund Harvey zu betrachten. Mehr noch, ich möchte Sie auf eine wundersame Reise schicken. Es ist Ihre Reise, es ist Ihr Leben.

Mein erstes Mal

Einen kleinen Eindruck davon, wie es sein könnte, wenn meine Tage gezählt sind, habe ich vor vielen Jahren bekommen. Gevatter Tod hat mich persönlich unter seine Fittiche genommen und mir unmissverständlich gezeigt, dass ich nicht unsterblich bin. Dabei hatte ich als junge Frau den Burschen ganz und gar nicht auf meiner Agenda. Krebs mit 23 Jahren?  Den bekommen doch nur die anderen. Die Alten, die Omas oder vielleicht noch diejenigen, die Schindluder mit ihrer Gesundheit treiben. Ich war vollkommen fassungslos, empört und ich fühlte mich ungerecht behandelt. So viel sei verraten, ich hab’s gut überstanden.

Das war das erste Mal, dass ich meinen Weggefährten bewusst wahrgenommen habe, es sollte nicht das letzte Mal gewesen sein.

Selbst wenn wir den Tod im Alltag nicht bemerken, ist er doch ständig präsent. Erst wenn wir unmittelbar mit ihm zu tun haben, spüren wir seinen eisigen Atem im Nacken.

Und wenn es jemanden gibt, der überhaupt keinen Respekt vor Zeit und Gerechtigkeit hat, dann ist es Tod.

Er ist größtenteils unerwünscht, manchmal erlösend, ausnehmend alterslos, gänzlich unparteiisch, kommt fast immer zu früh und selten zu spät. Und er holt sich letztendlich jeden einzelnen von uns. Ohne Ausnahme. Das ist seine Gerechtigkeit.

Diese Tatsache zu akzeptieren, verweigern wir mittlerweile gänzlich und schlittern durch den Alltag, als gäbe es kein Morgen. Das ist nicht nur meine persönliche Wahrnehmung. Neurologen haben herausgefunden, dass 80 Prozent der Menschen von einem optimistischen Irrglauben an die eigene Unverwundbarkeit betroffen sind. Andererseits hoffen beim Lottospiel 7,3 Millionen Bundesbürger mit der Wahrscheinlichkeit von eins zu 259 Millionen darauf, den Jackpot zu knacken.

Raucher kennen die tödlichen Gefahren des Nikotins, sind aber trotzdem davon überzeugt, dass sie vom Krebs verschont bleiben. Natürlich wissen wir, dass eine ungesunde Ernährung unser Leben verkürzen kann. Trotzdem sind in Deutschland 75 Prozent der Männer und 59 Prozent der Frauen zu dick. Durchschnittlich werden pro Kopf von der Bevölkerung jährlich rund zehn Liter reinen Alkohols konsumiert. Selbstverständlich wissen wir, dass der gute Tropfen unserem Körper im Übermaß schadet. Vier Fünftel der Bevölkerung denken aber hartnäckig, dass sie diese Fakten nicht betreffen. Die hundertprozentige Wahrscheinlichkeit des Sterbens wird schlicht ignoriert.

Wir sind Experten darin, Gefahren und Warnzeichen zu ignorieren. Oft gilt das Motto: schneller, höher, weiter

Raser auf der Autobahn sind überzeugt, dass die anderen Verkehrsteilnehmer langweilige Schnarcher sind. Was soll denn schon passieren beim Tippen der SMS? Auf der Autobahn? Bei 200 Kilometer pro Stunde?

Wir wissen alle um die Gefahren eines ungesunden stressigen Lebensstils, aber dennoch sind wir Meister darin, diese Erkenntnisse auszublenden. In unserer Gesellschaft will ihn keiner haben, den Exitus. Ein ungebetener Gast, der sich durch unser Leben schnorrt und vom Überraschungseffekt profitiert.

Aber irgendwann werden wir ihm begegnen, und was dann?

…weiter gehts dann im Buch „Lizenz zum Händchenhalten“

„Jetzt nehmen sie doch die Maske ab! Ich sterbe ja sowieso.“

Lesezeit: 2 Minuten

Das ist mal eine klare Ansage, wie ich finde. Zugegebenermaßen etwas verlockend, denn die kratzige Maske nervt. Auch erschwert sie mir meinen Vortrag, denn ich bin gerade dabei, einer meiner liebsten Weihnachtsgeschichten zum Besten zu geben. Mit kräftiger Stimme manövriere ich mich durch die humorvolle Erzählung und kämpfe mit einer gewissen Mundtrockenheit, hervorgerufen durch die laute Plärrerei.

Es ginge normalerweise etwas gefühlvoller und in feiner Erzählstimme.

In Zeiten von Corona muss ich mir aber anders behelfen und etwas mehr Druck geben, damit mein ohnehin etwas schwerhöriges Gegenüber wenigstens ein klein wenig Weihnachtsstimmung erhaschen kann. Irgendwie komme ich mir auch ziemlich blöd vor, weil ich meine Begleitung so „anschreien“ muss und mehr mit den Händen gestikuliere als sonst.

Aber es hilft ja nichts…

Zugegeben, es strengt mich an, aber nachdem ich aktuell auf der Bühne meine Phonetik nicht anwenden kann, sehe ich es als gewisse Übung. Ok, ich rede es mir gerade schön zugegeben, aber es tröstet mich darüber hinweg, dass ich mit halbverdecktem Gesicht und im Brüllmodus einem kranken Menschen gegenübersitze, dessen Weihnachten wohl das Letzte sein wird.

Trotzdem behält sie ihren feinen Humor und beschwert sich lächelnd:“ Dieser Coronavirus ist das erste „Made in China Zeug“, dass nicht nach drei Wochen kaputt geht. Wissen Sie, es macht mir wirklich nichts aus, wenn Sie keine Maske aufhaben. Jetzt tun Sie doch das Ding runter.“

Jetzt bin ich in der Zwickmühle!

„Es gibt aber eine Maskenpflicht und die möchte ich auf jeden Fall einhalten. Außerdem möchte ich Sie nicht unwissentlich anstecken und in Gefahr bringen, an diesem Virus zu erkranken. Deswegen ist es mir lieber, den Mund-Nasen-Schutz zu tragen.“ Meine Verteidigung findet wenig Anklang. „Aber Frau Frey, es ist doch egal, woran ich sterbe. Viel Zeit bleibt mir eh nicht mehr. Dann ist es eben der Virus, oder?“

Grundsätzlich versuche ich gute Laune zu verbreiten, keine Angst zu machen, meine Begleitungen zu unterstützen und keine großen Diskussionen vom Zaun zu brechen.

Dieses Mal muss ich aber über meinen Schatten springen und meine liebe alte Dame, sie ist 89, eines Besseren belehren.

„Ich habe großen Respekt vor dem Leben und ich wünsche Ihnen und mir einen ruhigen und würdevollen Tod. Vielleicht dürfen wir ja friedlich in unserem Bett einschlafen, ohne große Schmerzen und Qual. Es könnte auch sein, dass sich der Sterbeprozess, so wie er normalerweise stattfindet, etwas hinauszögert und wir unsere liebsten Menschen händchenhaltend verabschieden. Voller Liebe und Nähe, mit guten Wünschen und zärtlichen letzten Worten. Wenn es schon sein muss, dann wünsche ich mir das.“

Sie sieht mich mit großen Augen an.

„Aber wenn Sie an diesem Virus erkranken, dann sterben Sie isoliert, ohne Kontakt mit anderen, umgeben von einem fremden Pflegepersonal, dessen Gesicht Sie nie sehen werden. Eine grausame Atemnot zwingt Sie an einem Apparat, der Ihre Sauerstoffzufuhr regelt und sie bäuchlings vermutlich als einer der Letzten Dinge in Ihrem Leben, den sterilen Klinikboden sehen.

Das wünsche ich Ihnen, mir und sonst niemanden. Und genau deswegen werde ich die Maske nicht abnehmen!“

Ein kleiner Trick, wie Sie „unsterblich“ werden…

Lesezeit: 1 Minute

Sie möchten wissen, wie es geht, das ewige Leben? Das ist leichter, als Sie jetzt vielleicht denken.

Geben Sie keinem Ihrer künftig Hinterbliebenen den Zugang zu Ihren Passwörtern. Scheren Sie sich einen feuchten Kehricht um Ihren digitalen Nachlass. Dann wird sich, zumindest in der Social Media Welt, nichts ändern. Alles bleibt wie es ist. Urlaubsbilder, persönliche Texte, Meinungen zu einer aktuellen Situation. Ob Sie Grün, Rot oder Gelb gedacht haben. Alles ist für die ganze Welt, auch nachdem Sie das Zeitliche gesegnet haben, auf ewig zu lesen.

Die digitale Welt dreht sich ganz selbstverständlich nach Ihrem Tod weiter.

Es interessiert Herrn Zuckerberg nicht im Geringsten, ob Sie persönlich am PC sitzen oder mit dem schwarzen Kombi in der horizontalen Lage unterwegs sind. Wenn Sie gestorben sind, läuft Ihr Facebook-Account so oder so munter weiter.

Neulich hat mich Facebook daran erinnert, einem langjährig verstorbenen Freund, zum Geburtstag zu gratulieren. Von einer Jugendfreundin, die vor 5 Jahren mit dem Motorrad verunglückt ist, erhielt ich ein buntes, automatisch erstelltes Album unserer langjährigen Facebook-Freundschaft.

Als wäre nichts passiert, werden Erinnerungen oder Bilder gepostet, obwohl Sie schon lange die Blümchen von unten betrachten. Facebook hat da sein Eigenleben. Unabhängig davon, dass Sie bereits das Zeitliche gesegnet haben. Wenn keiner Bescheid gibt, geht das bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag.

Schon irgendwie ein gruseliger Gedanke, oder?

 Wenn Sie das von sich nicht möchten, dann schreiben Sie alles auf und legen Sie Ihre digitalen Geheimnisse zu Ihrem Testament oder an einen anderen, sicheren Platz. Denken Sie daran Ihre Passwörter an einem vertrauten Menschen weiterzugeben, oder aufzuschreiben. Das gilt selbstverständlich für alle Passwörter, die sich im Leben ansammeln. Ob eBay-Account, Online- Banking oder der Zugang zu Ihren Mails.

Finden, sollte man Ihre Unterlagen allerdings schon.

Wenn Sie Ihre geheimen Daten zu gut verstecken, geht es Ihnen vielleicht wie meinem Onkel. Nach dem Ableben meiner Tante hatte er überhaupt keinen Plan, wo die wichtigen Notizen und Papiere sind. Monate später wurden nicht nur wir in der Garage fündig. Einige Mäuse hatten sich ebenfalls daran zu schaffen gemacht und so manche wichtige Urkunde war zum Nestbau verwendet worden.

„Wenn ich gestorben bin, gebe ich einem Freund die Erlaubnis meinen Facebook-Status auf : „Am chillen mit Jesus zu setzen.“ – unbekannt –

„Kann man sich da was holen?“

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Wenn ich von meiner Aufgabe erzähle, haben viele ein verzerrtes Bild von der Art und Weise, wie Sterbende sich am Ende verhalten. Hin und wieder glaube ich, die Frage meines Gegenübers zu erkennen: „Kann man sich da Krankheiten holen?“ „Ist das nicht schrecklich, einen Sterbenden zu sehen? Schon gruselig, oder?“ Da sehe ich förmlich dunkle Bilder auflodern, vom Grauen des Todes. Stöhnende, jammernde  Menschen, weinende Angehörige…

Wenn ich daran denke, was ich mir früher so ausgemalt habe! Keine zehn Pferde hätten mich in ein Sterbezimmer hineinbekommen. Ich dachte, dass es ganz schrecklich sein muss. Mir wurde als kleines Mädchen immer erzählt, dass der Tod grausam und gemein ist und wir bis zuletzt kämpfen müssen. Eine Bekannte meiner Eltern erzählte mir, dass sich ihre sterbende Großtante angeblich die Zunge abgebissen und mit dem Teufel gekämpft hat. Heute bin ich mir sicher, dass es nicht so war, aber als Kind hast du da keine Wahl.

Zerrbilder spuken in den Köpfen der Leute herum, wie der Tod auszusehen hat.

Wohl auch deswegen, weil die wenigsten Menschen tatsächlich mit dem Tod in Berührung kommen wollen.

Da entwickeln viele ihre eigenen Bilder, manipuliert von der Filmwelt, in denen der Held mit schmerzverzerrtem Gesicht letzte Anweisungen gibt. Der Hauptdarsteller röchelt langsam vor sich hin, während seine große Liebe ihre Tränen auf sein geschminktes Gesicht tropft. „Du musst kämpfen, halte durch! Bleib bei mir!“ Ein letzter Blick zur Geliebten und sein Kopf  sackt zur Seite…

Bei Harry Potter wird der Todesfluch „Avada Kedavra!“ ausgesprochen, was übersetzt soviel heißt wie „Sache verschwinde!“ Oh, wie passend… Das berühmte Gaunerpärchen Bonnie und Clyde geht gemeinsam sehr spektakulär über den Jordan (was in der normalen Sterbeabfolge recht selten ist). Und James Bond? Na ja, der ist eh unsterblich.

Aber da liegt doch keiner so unspektaulär im Krankenbett.

In der Fiktion gibt es nur hopp oder top, Sterben oder Held. In der Realität ist das eher selten. Da führt kein Weg daran vorbei, am Ende landen viele von uns im Krankenhaus.                      

Wenn ich Besuche im Hospiz mache, höre ich nicht selten, dass die Zeit in diesem wohlbehüteten Haus als besonders und wertvoll erlebt wird.

      Ein Patient sagte mir kurz vor seinem Tod: „Meine Lebensqualität als Sterbender ist jetzt besser als mein Leben als gesunder, aber gestresster Manager. Ich kann jetzt im Augenblick leben.“

      Auch meine Mutter sagte damals beim Einzug in das Hospiz zu mir:

„Ich wusste überhaupt gar nicht, dass es so etwas gibt!“

Wenn wir mitten im täglichen Leben stehen, meinen viele, dass wir die unterschiedlichsten  Dinge  benötigen, um uns zu freuen. Reisen, Klamotten, teure Autos, Schmuck und vieles mehr. Mir geht es da nicht anders.  Das liegt in der Natur der Sache, dass wir mehr möchten als wir ohnehin schon haben. Wir sind ehrgeizig und neugierig. Hätten wir diesen Instinkt nicht, dann säßen wir heute noch als Steinzeitmenschen in der Höhle und würden das Feuer hüten.

      Ich wünsche mir Dinge oder hoffe auf besondere Ereignisse, damit meine Welt noch glücklicher wird. Und schon gar nicht möchte ich etwas verpassen. Wenn ich dann wieder auf der Hospizstation bin und sehe mit welchen Kleinigkeiten Patienten oft überglücklich sind, wird mir bewusst, dass es mit viel weniger geht.

Es sind die einfachen Dinge, die eine ganz besondere Bedeutung bekommen, der Toilettengang, das selbstständiges Essen oder das  eigenständige Aufstehen. Für mich selbstverständlich, für viele  Kranke nicht mehr möglich.

Da wird mir wieder bewusst, wie gut es mir geht. Da verliert der ganze andere Kram an Wertigkeit.

Jeder möchte lange leben,aber keiner will alt werden. -Jonathan Swift-

Die Königin ist tot. Lang lebe die Königin.

Lesezeit: 3 Minuten

So der Titel eines Films, der vergangene Woche als Quotenhit im Fernsehen zu sehen war. Es war der letzte TV Auftritt der wunderbaren Hannelore Elstner. Eine bemerkenswerte Frau mit außergewöhnlicher Ausstrahlung und Talent.

Im Hospiz begleitete ich eine Schauspielerin die mich sehr an die verstorbene Leinwandikone erinnert. Ihre ungewöhnliche Geschichte berührte meine Herz und fand einen Weg in mein Buch. Hier eine kleine Leseprobe:

„Wer den Tod fürchtet, lebt nicht!

Eine wahrhaftige Diva mit blonder Langhaarperücke, pinkfarbenem Nachtkleid, leuchtendem Schal und ebenso grell lackierten Fingernägeln. Meistens saß sie aufrecht im Bett. Umhüllt von einer dicken Wolke aus Parfüm, die den strengen Geruch ihres offenen Tumors überdecken sollte.

       Die vier erfolglosen Chemotherapien nahmen ihr zwar die Haare, aber nicht ihre Würde und die Freude am Leben. So gut es ging, versuchte sie noch daran teilzunehmen. Dicke Theaterbücher und andere Wälzer thronten in ihrem Regal und im Hintergrund trällerte der CD-Player kontinuierlich Operettenschlager.

   Leidenschaftlich erzählte sie von ihrem erfüllten Leben mit  glänzenden Augen und großen Gesten und ich spürte, wie sehr sie das Leben genossen hatte, aber auch wie sehr sie manches vermisste. „Mein Mann hat sich aus dem Staub gemacht. Aber was soll’s. C’est la vie! Eigentlich bin ich froh, dass er weg ist. Der hatte sowieso keinen Humor. Und ist ja schon so lang her. Da muss man nicht mehr heulen.“ Dabei lächelte sie mich an und wischte mit einer schnellen, verstohlenen Handbewegung eine Träne weg.

Ich bereue nichts, nur die Sünden die ich nicht begangen habe!

      Dann trug sie mir die verschiedensten Texte und Gedichte vor, gestikulierte wie wild mit den Armen, dass ich fürchtete, sie würde jeden Moment aus dem Bett fallen. „ Mädchen, ich hatte so viel Spaß im Leben! La dolce Vita! Das könnt ihr jungen Dinger gar nicht mehr so haben wie ich. Die ganze Welt hab ich gesehen. Was hatte ich für wunderbare Menschen um mich. Ich bereue nichts! Nur die Sünden, die ich nicht begangen habe.“ Darauf folgte ein ungestümes, raues, kehliges Lachen, das den ganzen Raum erzittern ließ.

Jetzt wollte sie den letzten Weg genau so gehen, wie sie es gewöhnt war. Im Rampenlicht. Mit großer Inszenierung und gehörigem Tamtam! Wir genossen ihre Geschichten, die sie unermüdlich zum Besten gab. Sie wollte auf gar keinen Fall sterben und fand, es sei mit 94 Jahren allemal eine Frechheit  und viel zu früh. Manchmal schimpfte sie mit Gott, dann  wieder rezitierte sie die Bibel, wie ein Bühnenstück. „Wäre der Tod nicht, es würde keiner das Leben schätzen, mein Liebchen, man hätte vielleicht nicht mal einen Namen dafür.“ Da hatte sie verdammt recht. „Dass alles einmal vergeht, weiß man schon in der Jugend. Aber wie schnell alles vergeht, das kapiert man erst im Alter. Es ist ein Jammer, aber auch gut so. Liebchen, stellen Sie sich nur mal vor, wenn das ewig so weiter geht. Lauter so alte Schachteln wie ich. Wäre bald kein Platz für Neues mehr. Das hat schon alles seinen Sinn, da muss man nicht meckern wie eine alte Ziege. Bringt doch nichts. Aber schön ist das Alter nicht. Und diese elenden Falten. Alleine das Wort –Krähenfüße– ! Was für eine Frechheit, wer hat sich das denn ausgedacht?“

      Schrille und bunte Gestalten gaben sich die Klinke in die Hand und sie begrüßte jeden mit ihrem gellenden Gelächter und einem feisten Spruch. So auch für ihre langjährige Freundin Maximiliane: „Liebchen, du hast ja zugenommen! Oder bist du jetzt in dem Alter, wo man ein paar Kilo mehr braucht, um die Haut zu straffen?“  „Na hör mal, was denkst du denn. Ich habe mich nur ein wenig weiterentwickelt!“ Ungestümes Lachen, herzliche Umarmung.

Sie hatte zum Sterben eingeladen.

        Gestorben ist sie so, wie sie es sich gewünscht hatte, umringt von Freunden, Hospizhelfern und Pflegepersonal, denn sie hatte „zum Sterben eingeladen“. Als sie merkte, dass es jetzt soweit war, ließ sie es uns alle wissen und drapierte sich dramatisch in ihr Bett. Dann schloss sie ihre Augen mit einem trotzigen „Ich bin dann mal tot“, machte noch einige tiefe rasselnde Atemzüge und hörte tatsächlich kurz darauf einfach auf zu leben. Einfach so! Unglaublich. Ein kleiner Verdacht keimte in mir auf. Ob sie sich gewünscht hätte, dass wir applaudieren? Aber das fand ich nun doch despektierlich.

Auf Kollisionskurs mit dem Tod.

Lesezeit 2 Minuten

Bäm! Ein Schlags ins Gesicht!

Voll auf die Nase. Mister „ich hol mir, wen ich will“ hat diese Woche direkt in mein Herz getroffen. Erst eine Patientin, die mit Ihrem kleinen Baby, 6 Monate alt, auf der Palliativstation eingetroffen ist und zwei Tage danach verstarb. Sie hielt auf der eine Seite das Baby in Ihrem Arm, auf der anderen die Hand des verzweifelten Ehemanns. Mir fehlten die Worte.

Dann der Anruf einer lieben Freundin, deren Vater im hohen Alter verstorben ist. Man hats gewusst, aber deswegen tut es nicht weniger weh, wenn meine Freundin voller Trauer am Telefon weint.

Und jetzt noch die Nachricht, dass ein lieber Kollege im Alter von 34 Jahren vollkommen unerwartet und plötzlich verstorben ist. Keine Voranzeichen, keine Chance auf Vorbereitung. Eben noch da und jetzt einfach weg.

Wenn ich eines in meinen Sterbebegleitungen gelernt habe, dann das.

Das Leben ist nicht gerecht

Und nichts ist so selbstverständlich wie der Tod. Er kommt wann und wie es ihm gefällt. Er ist da. Ungefragt. Oft zu früh, oft ungerecht und mit dieser arroganten Selbstverständlichkeit.

Wenn ich das Synonym zu „selbstverständlich“ nachschlage, dann finde ich, alltäglich, folgerichtig, gewöhnlich, normal, logisch. Es hört, fühlt sich fast schon ein wenig zynisch an. Passt das zu einer Trauer? Tröstet das eine Mutter, die ihren Sohn viel zu früh verloren hat. Versöhnt das einen Witwer mit einem kleinem Kind?

Nein, es hilft kein bisschen und besser verstehen hilft es mir auch nicht.

Doch es ist Fakt. Und es macht mir wieder einmal bewusst, wie„endlich“ ich bin.

Ehrlich gesagt, obwohl ich mich viel mit dem Thema Tod und Sterben befasse, kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass es mich einmal nicht mehr geben soll. Dass ich nicht mehr mit meinen Liebsten reden kann, sie nicht mehr sehe und ich ihnen sogar mit meinem Tod noch Leid bringe. So wie jetzt der junge, viel zu früh verstorbene Kollege.

Deswegen tue ich es jetzt, sofort. Ich sage meinem Mann wie sehr ich ihn liebe, schicke meinen Kindern eine Whats App mit netten Worten und sage ihnen wie stolz ich auf sie bin. Beim Spaziergang mit meinem Hund lächle ich anderen zu und schicke etwas Sonne in ihr Herz. In diesem Moment bin ich lebendig.

Denn weder mein Leben noch mein Dasein ist selbstverständlich.

Omi auf den Kompost ?

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Erdgrab oder ab in die Urne? Wie phantasielos…

Einfach im Sarg rumliegen und warten, bis die Natur ihren Lauf nimmt? Nein, dass, ist so gar nicht trendy und zeitgemäß.

Mit den „Überresten“ meiner Liebsten kann ich künftig den Garten düngen. Und ein Anzug aus Pilzen und Organismen, sorgt dafür, dass mein Leichnam noch schneller von dieser Erde verschwindet.

Es rumst gerade gewaltig, was die Bestattungskultur der modernen Zeit angeht.

Der Trend geht zu Öko und wiederverwertbar. Angesagt ist die schnelle Entsorgung der Toten auch mithilfe von kleinen Tierchen die sich um die sterblichen Überreste zum Mindestlohn kümmern.

Achtung! Gefährliche Leichen!

„Ein Leichnam ist nach einem ganzen Leben in der Regel voller Medikamente, Umweltchemikalien oder Schwermetalle“, sagt Bestatter Joerg Vieweg. Laut des Zentrums für Seuchenkontrollen in den USA sollen es sogar über 200 Substanzen sein. Streng genommen ist ein Leichnam also eine echte Gefahr für Böden und Grundwasser. Pilze können Giftstoffe neutralisieren, sie in ihre Bestandteile zersetzen und damit unschädlich machen.

Die gebürtige Südkoreanerin Jae Rhim Lee hat deswegen einen speziellen Anzug erfunden.

Den „Infinity Burial Suit“

Er ist gespickt mit Pilzen und Mikroorganismen, die nicht nur den Zersetzungsprozess der Leiche beschleunigen, sondern auch sämtliche Schadstoffe filtern. Übrig bleibt auch hier am Ende lediglich Erde. Den Anzug gibt es in verschiedenen Größen und er kostet 1.500 Dollar.

Aber es gibt noch eine weitere Möglichkeit umweltschondend über den Tod hinaus zu wirken.

Wie zum Beispiel „Recompose“

So heißt die Idee der US-Amerikanerin Katrina Spade. Die Architektin und Designerin arbeitet seit 2014 daran, eine professionelle und würdevolle Kompostierung von Verstorbenen möglich zu machen. Menschen sollen zu Erde werden — das schone die Umwelt und gebe dem Verstorbenen einen Sinn über den Tod hinaus, heißt es auf der Homepage der Initiative. Seit dem 19. April 2019 ist diese Methode im US-Bundesstaat Washington legal, ab Mai 2020 kann es dann auch mit den ersten Kompost-Gräbern losgehen.

Sehr smart. Ich für meinen Teil habe aber nicht vor auf dem Kompost zu landen oder in einem häßlichen Anzug krümelige Erde zu werden. Da bin ich wohl doch etwas altmodisch.

Quelle Buten und Binner Nachrichten

Drinks de ene met ?

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Wenn ich auf der Palliativstation mithelfe, dann mache ich mich meist in der Küche nützlich. Nicht das ich die Küchenarbeit liebe, weiß Gott nicht, aber damit leiste ich tatsächlich einen wertvollen Beitrag für die Patienten. Denn durch die Unterstützung der Hospizhelfer haben die Schwestern und Pflegekräfte mehr Zeit für die notwendige Versorgung oder kommen selbst mal zum durch schnaufen. Die freien Momente werden dazu genutzt, die Spülmaschine auszuräumen oder die Patientenzimmer von dem benutzten Geschirr zu befreien. Das Essen wird nach den Wünschen der Gäste (so werden die Patienten genannt) angerichtet und es wird auch nachgefragt, welches Getränk passen könnte. Natürlich haben wir in meiner Hauptstadt des Bieres auch welches im Kühlschrank und es wird außerordentlich gerne genommen.

Als ich das Zimmer von Herrn Ehrhard betrete, sitzt er aufrecht im Bett und sieht mich erwartungsvoll an. Er ist seit zwei Wochen in palliativer Behandlung und wird in wenigen Tagen in ein nahe gelegenes Hospiz umziehen. Wissend dass er nur noch eine kurze Zeit zu leben hat, stört es ihn allerdings nicht Scherze zu machen. „Ach et küt wie et kütt“ antwortet er mir auf die Frage, wie es ihm denn heute gehe. Ein Kölner !

Tja das könnte die Verständigung schwierig machen, denn meinen bayerischen Dialekt kann ich beim Aufschreiben ins Hochdeutsche übertragen. Aber so Auge in Auge? Da muss ich mich auf meine Aussprache konzentrieren. „Kann ich denn irgendwas Gutes für Sie tun?“ „Alles Jut. Wat wells de maache. Nix bliev wie et es“

Ok, soweit habe ich ihn verstanden.

Natürlich merkt er, dass ich nicht alles verstehe und er bemüht sich um krakeliges Hochdeutsch. „Haben se denn een Bierchen für mich? Wissen se, Kölsch ist die einzige Sprache, die man och trinken kann.“ Er lässt es sich nicht anmerken, dass ihm die Medikamente zusetzen und ihm starkes Unwohlsein verursachen. Bei der Besprechung mit dem Pflegepersonal bin ich darauf hingewiesen worden, daß er oft erbrechen muss und er nur ganz kleine Essensportionen verträgt.

Zusammen mit dem Abendessen bringe ich ihm das gewünschte Bier. Sein Menü, eine Buchstabensuppe, dekoriert mit Petersilie und einem kleinem Stückchen Brot stelle ich auf den Patiententisch. Als er das sieht, fängt er lauthals zu lachen an und prustet:

„Do laachs dich kapot. Ene Supp‘ mit Buchstaben! Da kann isch heut Geschichten kotzen!“

Wir lachen beide fast schon ein wenig zu laut und als er zu seinem Bierchen greift, fragt er mich gespieltem Ernst: „Sind se mit dem Auto da?“ „Ja, warum?“ „Schad, dann könn se jet keene met drinken, aber ich schon. Und kann och noch jemütlich hier liegen bleiben. Nix es esu schlääch dat et nit och für et joth wör“

Wie wahr, wie wahr …

Freiheit für die Asche!

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Greta Thunbergs Einsatz wirkt auch über den Tod hinaus.

Neue Bestattungstrends. Ökologisch, biologisch und zukunftstauglich. Was weiß ich, wo das noch hinführt. Aber erfinderisch ist der Mensch an sich ja schon …

Promession — Pulver durch schockfrosten

Die Idee stammt von der Schwedin Susanne Wiigh-Mäsak. Anstatt jahrzehntelang im Boden zu verrotten oder unter hohem Energieaufwand zu verbrennen, kann sie sich gut vorstellen, schockgefrostet zu werden. Dadurch verliert der Leichnam Flüssigkeiten, er wird brüchig. Rotationen lassen ihn zu Granulat zerfallen. Metalle, wie zum Beispiel Zahnfüllungen, zieht ein Magnet aus dem geruchsfreien Pulver. In einer kompostierbaren Urne kann der Angehörige dann — zumindest theoretisch — im Blumenbeet bestattet werden. Auch hinter dieser Idee verbirgt sich der Gedanke, die Umwelt zu schonen und in einem neuen Organismus weiterzuleben. Für diese Idee setzt sich die Schwedin in der ganzen Welt ein, durchsetzen konnte sich das Konzept aber noch nicht.

Aber auch der pfiffige Bestatter Joerg Vieweg und möchte zur Diskussion anstoßen. „Freiheit für die eigene Asche“ Bremen ist so liberal, wie kein anderes deutsches Bundesland: Seit 2015 kann in der Stadt Bremen die Asche von Angehörigen, die ihren letzten Wohnsitz vor dem Tod in Bremen hatten, im eigenen Garten vergraben oder verstreut werden. Vor dem Tod muss dafür lediglich die passende Bestattungsverfügung ausgefüllt werden. „Bis Ende 2018 sind 86 dieser Anträge bei uns eingegangen“, sagt Kerstin Doty vom Umweltbetrieb Bremen. Bis andere Bestattungsmethoden zum Standard werden können, müssten aber wohl erst zahlreiche Gesetze geändert werden, vermutet Doty.

Oder als Alternative die Resomation — sich auflösen

Hier wird der Körper mit einer speziellen Lösung besprüht und in einem Druckbehälter, dem sogenannten Resomator, unter hohen Temperaturen und hohem Luftdruck zersetzt. Das Ganze dauert etwa drei Stunden, übrig bleibt ein weißes Pulver. „Das kann dann ganz normal in einer Urne beigesetzt werden“, sagt Vieweg. Diese Methode verbrauche weitaus weniger Energie, sei schneller und umweltschonender als die herkömmliche Verbrennung im Krematorium, so Vieweg. In den USA und Kanada darf teilweise bereits resomiert werden, Belgien und die Niederlande denken darüber nach. Auch für Deutschland sei die Resomation wohl die wahrscheinlichste Neuerung der kommenden Jahrzehnte, glaubt Joerg Vieweg. „Es ist günstiger, schneller, sauberer und die Technik ist schon länger auf dem Markt.“

Grüne Linie — lokal und ressourcenschonend

Die Idee ist simpel: Der letzte Fußabdruck, den Menschen auf der Erde hinterlassen, soll möglichst ökologisch und nachhaltig sein. Der Bestatter Werner Kentrup aus Bonn hat die Initiative ins Leben gerufen. Praktisch sieht das dann so aus: Statt glänzenden Särgen oder Trauerkarten entscheidet man sich zum Beispiel für einen schlichten Kiefernsarg, der lokal produziert wurde und biologisch abbaubar ist. Gleiche Prinzipien gelten für Blumen oder den Grabstein: Welche Blumen blühen gerade in der Natur? Welchen Stein findet man ganz natürlich in der Region? Die Grüne Linie ist der wohl einfachste Weg, den letzten Weg eines Menschens umweltschonender zu gestalten. (Quelle Buten und Binner Nachrichten)

Was tun?

Ganz ehrlich, jetzt bin ich schon etwas verwirrt. Dann tragen die vielen, nicht ökologisch wertvoll versorgten Leichen Mitschuld an der Umweltverschmutzung?

Au Backe! Da bin ich jetzt aber sehr vorsichtig, mit dem, was ich so alles zu mir nehme. Sonst komme ich in den Pilzanzug der mich in Windeseile zersetzt. Gibts tatsächlich. Was das bedeutet? Davon lest ihr in meinem nächsten Blog …

Ist das ein Gespräch, oder kann das weg?

Lesezeit 2 Minuten

„Wie geht‘s dir?“ Eine alltägliche Frage. Wir stellen sie mehrmals am Tag, ohne uns die Zeit zu nehmen, die Antwort abzuwarten. Es ist zu einer Floskel geworden. Ohne Anspruch auf Erfüllung. Wehe es antwortet jemand nicht mit „Gut“ oder „Passt schon.“Dann erliegt man einem ungewolltem Gespräch oder spricht eine willkommene Einladung an den Hypochonder aus.

Auch ich ertappe mich dabei, die Floskel „ Alles Ok?“ zu benutzen. Einfach mal nachzufragen, banal, ohne eine ehrliche Antwort zu erwarten. Meist hat es keine Auswirkung auf mein Gemüt und der Gefragte fühlt sich nicht wirklich angesprochen. Unverbindliche Höflichkeitsfloskel. Gut für beide.

So eine oberflächliche Nachfrage kann aber in der Begegnung mit Schwerstkranken ziemlich nach hinten losgehen.

„Wie soll es mir schon gehen? Ich bekomme gerade meine vierte Chemo.“ Das entgegnete mir damals meine Mutter, als ich mit der Floskel “Wie gehts dir?“ ins Zimmer stürmte. Da wurde mir schlagartig klar, dass ich der prekären Situation, mit meiner unsensiblen Frage, noch ordentlich Futter gab.

Das ist jetzt schon einige Jahre her, aber noch immer mache ich mir Gedanken, womit ich das Gespräch beginnen soll, wenn ich in das Zimmer eines Kranken gehe.

Wie spreche ich mit jemanden der, wie ein Häufchen Elend im Bett liegt? Womöglich sich wenig oder unverständlich mitteilt. Was sage ich denn, wenn mich die Augen eines geliebten Menschen verloren ansehen, in der Hoffnung, ich hätte eine Lösung? Wie reagiere ich denn, wenn jemand vor mir liegt, den ich kaum wiedererkenne weil die Krankheit an seinem Körper bis zur Unkenntlichkeit an ihm gezehrt hat. Oder noch schlimmer, wenn der Tod greifbar nah ist, es alle wissen und spüren? Was sagt man denn da?

Es erfordert etwas Mut…aber es ist leicht zu schaffen.

Eine enorme Herausforderung, das Richtige zu sagen, sich richtig zu verhalten den perfekten Wortlaut zu treffen. Das ist oft der Grund, warum viele sich nicht in das Krankenhaus, auf die Palliativstation oder in das Hospiz trauen. Die Scheu vor der Kommunikation mit Sterbenden ist groß und die Angst, etwas falsches zu sagen, oder gar sprachlos zu sein hält davon ab, sich überhaupt in diese Lage zu bringen.

Oft höre ich: „Petra, was sagst du denn, wenn du zu deinen Begleitungen gehst? Gibt es da ’ne Regel?“ Nein, gibt es nicht. Es ist immer eine besondere Situation und auf manches kann ich mich vorbereiten, aber auf vieles nicht.

Mein Tipp für solche Fragen?

Authentisch sein. Ehrlich antworten. Wer am Herrgotts Türchen steht, hat keine Zeit und Lust mehr auf blödsinnige Floskeln oder umständliche Worte. Da ist Geradlinigkeit gefragt. Das ist nicht einfach, ich weiß, aber nach meinen Erfahrungen ist es der richtige Weg. Solang ich aufrichtig bei meinen Begleitungen bin, ehrlich antworte, und mich nicht verstelle, habe ich direkten Kontakt. Da sollte ich nichts mehr über die Langzeitwirkung von Globoli erzählen, sondern den „Istzustand“ annehmen. Zuhören, miteinander schweigen oder auch miteinander weinen.

Und wenn schon die Frage „ Wie geht‘s dir? „im Raum steht, weil man sie wieder viel zu schnell und unüberlegt ausgesprochen hat, dann würde ich noch ein kleines Wort anhängen. … „Wie geht‘s dir HEUTE?“ „Wie fühlst du dich JETZT?“

Und schon ist es keine Floskel mehr. Ich bin direkt bei der Person. Frage ehrlich und zeige aufrichtiges Interesse. Dann befinde ich mich gemeinsam, mit meinem Gegenüber, im Hier und im Jetzt. Das HEUTE und das JETZT zählt, denn viel mehr Zeit haben meine Begegnungen meist nicht mehr.