Da war ich eben mal sprachlos …

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…und, das ist bei mir schon etwas unüblich. Normalerweise bin ich bemüht, meine 16 000 Wörter, die Frauen laut Statistik täglich verbrauchen, meiner Umwelt nicht vorzuenthalten.

Grund für meine spontane Sprachlosigkeit war mein aktueller Einsatz im Seniorenheim. Gräfin von Funkenstein, 90 Jahre, geistig sehr fit und außerordentlich redegewandt. Körperlich ist sie leider nicht mehr in der Lage, das Bett zu verlassen und ihrer Situation hilflos ausgeliefert.

„Sie ist etwas schwierig, eigenwillig und hat die Absicht geäußert, in die Schweiz zu fahren. Du weißt schon. Sterbehilfe.“, meinte meine Koordinatorin vor meinem erstem Einsatz.

Das war für mich schon eine Herausforderung!

So vorbehaltlos wie möglich ging ich in das Gespräch. Allerdings kann ich nicht behaupten, dass ich dieses Mal nicht froh gewesen wäre, das man mir die Anspannung aufgrund des Mund-Nasen-Schutzes nicht ansehen konnte. Ich war nervös. Deutlich spürte ich, dass mein Gegenüber viel von mir erwartete und ich dem unter Umständen nicht standhalten konnte.

„Also einfache, banale Küchengespräche mag ich gar nicht. Wenn Sie zu mir kommen, möchte ich nicht das meine Zeit verplempert wird. Immerhin habe ich davon kein unbegrenztes Reservoir.“

Sie redet nicht um den heißen Brei.

Gut so, dass gefällt mir. Dann weiß ich wenigstens, woran ich bin. Ich konzentrierte mich auf das was ich einmal in meiner Ausbildung zur Hospizbegleitung gelernt hatte. Beobachten, zuhören und gut überlegen wie der nächste Schritt sein könnte. Einge betagte Senioren kommen gerne gleich auf den Punkt einer Sache, sind manchmal ungeduldig oder auch etwas sturr. Alles Eigenschaften die ich sehr gut nachvollziehen kann, wenn man bedenkt wieviel sie teilweise schon durchgemacht haben.

Okay, jetzt liegt es an mir den Ball zurückzugeben.

Ich versuchte, heraus zu finden, was ihre Vorlieben sind, welche Musik sie gerne hört und wie ihr Leben früher vor der Krankheit ausgesehen hatte. Ganz vorsichtig, um nicht wie ein Elefant durch ihr Leben zu trampeln.

Und dann? Bingo!

Sie mag Theater, Kunst und ist ein Fan von Lena Christ. Auch ich habe sehr viel über diese Schriftstellerin gelesen und wir kamen ganz schnell in ein wirklich anregendes Gespräch. Die Zeit verflog und mit ihr meinen Unsicherheit und Bedenken.

„Liebe Frau Frey, das Gespräch mit Ihnen hat mir so gut getan. Es war so schön, wie wir uns unterhalten haben. Ich fühle mich jetzt viel besser! Danke!“

Kein Todeswunsch, keine traurige Stimme und Zuversicht in Ihren Worten.

Da wusste ich wieder, warum ich dieses Ehrenamt mache. Es ist so ein wunderbares Gefühl, gerade in schweren Zeit für andere da zu sein. Einfach so. Mit einem Gespräch, einem Lächeln, einer kleinen Geste. Ich bin herzlich willkommen und es ist eine wunderbare Aufgabe, Wertvolles für einen anderen Menschen zu leisten.

Diese Frau hatte vor ein paar Wochen noch den Wunsch zu sterben. Sie fühlte sich einsam, verlassen und alt. Mit wenigen Besuchen und kurzen Telefonaten, sieht sie sich jetzt nicht mehr verloren, hat neuen Mut gesammelt. Und ich dürfte als ein kleines Rädchen mitdrehen.

Meine Überzeugung ist es, dass jeder von uns einen kleinen Beitrag dazu leisten kann, damit andere Menschen sich besser fühlen. Einfache Dinge. Ohne großem Aufwand.

Wenn Sie sich etwas umsehen, finden Sie sicher jemanden, der um ein paar freundliche Worte dankbar ist, sich über etwas Hilfe freut und vielleicht dadurch wieder mehr Vertrauen in das Leben hat. Gerade in dieser schwierigen Zeit, wo wir oft sehr mit uns selbst beschäftigt sind, möchte ich Sie ermuntern, sich etwas bewusster umzuschauen.

Vertrauen Sie mir, es tut einfach wirklich gut, gutes zu tun. Versprochen!

Drinks de ene met ?

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Wenn ich auf der Palliativstation mithelfe, dann mache ich mich meist in der Küche nützlich. Nicht das ich die Küchenarbeit liebe, weiß Gott nicht, aber damit leiste ich tatsächlich einen wertvollen Beitrag für die Patienten. Denn durch die Unterstützung der Hospizhelfer haben die Schwestern und Pflegekräfte mehr Zeit für die notwendige Versorgung oder kommen selbst mal zum durch schnaufen. Die freien Momente werden dazu genutzt, die Spülmaschine auszuräumen oder die Patientenzimmer von dem benutzten Geschirr zu befreien. Das Essen wird nach den Wünschen der Gäste (so werden die Patienten genannt) angerichtet und es wird auch nachgefragt, welches Getränk passen könnte. Natürlich haben wir in meiner Hauptstadt des Bieres auch welches im Kühlschrank und es wird außerordentlich gerne genommen.

Als ich das Zimmer von Herrn Ehrhard betrete, sitzt er aufrecht im Bett und sieht mich erwartungsvoll an. Er ist seit zwei Wochen in palliativer Behandlung und wird in wenigen Tagen in ein nahe gelegenes Hospiz umziehen. Wissend dass er nur noch eine kurze Zeit zu leben hat, stört es ihn allerdings nicht Scherze zu machen. „Ach et küt wie et kütt“ antwortet er mir auf die Frage, wie es ihm denn heute gehe. Ein Kölner !

Tja das könnte die Verständigung schwierig machen, denn meinen bayerischen Dialekt kann ich beim Aufschreiben ins Hochdeutsche übertragen. Aber so Auge in Auge? Da muss ich mich auf meine Aussprache konzentrieren. „Kann ich denn irgendwas Gutes für Sie tun?“ „Alles Jut. Wat wells de maache. Nix bliev wie et es“

Ok, soweit habe ich ihn verstanden.

Natürlich merkt er, dass ich nicht alles verstehe und er bemüht sich um krakeliges Hochdeutsch. „Haben se denn een Bierchen für mich? Wissen se, Kölsch ist die einzige Sprache, die man och trinken kann.“ Er lässt es sich nicht anmerken, dass ihm die Medikamente zusetzen und ihm starkes Unwohlsein verursachen. Bei der Besprechung mit dem Pflegepersonal bin ich darauf hingewiesen worden, daß er oft erbrechen muss und er nur ganz kleine Essensportionen verträgt.

Zusammen mit dem Abendessen bringe ich ihm das gewünschte Bier. Sein Menü, eine Buchstabensuppe, dekoriert mit Petersilie und einem kleinem Stückchen Brot stelle ich auf den Patiententisch. Als er das sieht, fängt er lauthals zu lachen an und prustet:

„Do laachs dich kapot. Ene Supp‘ mit Buchstaben! Da kann isch heut Geschichten kotzen!“

Wir lachen beide fast schon ein wenig zu laut und als er zu seinem Bierchen greift, fragt er mich gespieltem Ernst: „Sind se mit dem Auto da?“ „Ja, warum?“ „Schad, dann könn se jet keene met drinken, aber ich schon. Und kann och noch jemütlich hier liegen bleiben. Nix es esu schlääch dat et nit och für et joth wör“

Wie wahr, wie wahr …