Ein Hör im Gerät, oder so ähnlich …

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Es ist mir lästig. Nein, eigentlich nicht nur lästig, sondern es nervt! Aber es muss sein, für mich, für die anderen und vor allem für meine Hospizbegleitungen. Das Tragen der FFP. Mit ihrem schicken sterilen Outfit und den trendy Bändchen, die mir die Ohren nach vorne stülpen, als hätte ich nicht schon genug damit zu tun, meine beschlagenen Brille freizukratzen.

Was mich aber am meisten stört, ist die schwierige Kommunikation. Im normalem Umgang fällt es mir nicht ganz so auf, irgendwie habe ich mich schon tatsächlich daran gewöhnt, aber bei meinen Besuchen bei Frau Huber ist es echt eine Herausforderung.

Schlecht hören tut sie gut, nur gut sprechen tut sie schlecht.

Frau Huber hört nicht nur schlecht, sondern nuschelt auch ein wenig. Für beides kann sie natürlich nichts, aber unsere Unterhaltung ist mittlerweile echt der Knaller. Meist rate ich mehr, was sie sagt, denn von den Lippen ablesen geht ja schlecht. Da ist ja wieder die Maske im Weg. Doch genug gejammert, denn gestern hatte ich neue Hoffnung geschöpft.

Es gibt für (fast) alles eine Lösung …

Jetzt hat sie Gott sei dank ein Hörgerät bekommen. Sie war sichtlich stolz auf ihre neue Errungenschaft und gleich beim ersten Ankommen erzählte sie mir davon.

„Frau Frey, ich habe jetzt ein Hör im Gerät und kann viel besser hören, was ich sage. Und auch was sie sagen. Also diese Technik heutzutage! So wunderbar. Das Gerät ist ganz klein und schauen sie mal da hinter dem Ohr, der kleine Kasten.“

Um die AHA-Regeln nicht zu missachten, schaute ich aus der Ferne hinter ihr Ohr und sah erst mal … gar nichts.

Oder war es wirklich so klein?

Keine Ahnung, aber Frau Huber freute sich und erzählte mir von ihrem Besuch beim Hörgeräteakustiker in einer sehr langen und ausführlichen Beschreibung. Ehrlich gesagt, verstand ich nur die Hälfte von dem, was sie mir erzählte, aber sie hatte so einen Spaß, dass es eine Freude war, ihr zuzusehen beziehungsweise zu hören.

„Wissen Sie, als ich da in den Geschäft drin war, habe ich das beste Gerät bekommen, das noch zu haben war. Es war zwar nicht billig, aber wenn ich da besser hören kann. Das ist doch was, oder? Da kann man schon mal etwas mehr Geld ausgeben.“

„Ja natürlich, das ist echt toll. Ich freue mich für sie. Was hat es denn gekostet?“

„Wie bitte?“

„Wie viel mussten sie denn bezahlen?“

„Ach so, jetzt habe ich sie verstanden. Gleich halb Zwölf.“

Und dann sah ich auf Ihrem kleinem Tischen neben dem Bett eine durchsichtige Box. Mit einem nagelneuem Hörgerät …

Ich habe gerade Zeit, wo gibts nichts zu tun?

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Eines hat sich definitiv für mich verändert, seit ich in der Sterbebegleitung bin: der Begriff von Zeit.

Wenn es einen wahrhaftigen und unbezahlbaren Schatz gibt, dann meine ganz persönliche Zeit.

Es ist für mich der Inbegriff von Gerechtigkeit. Wir haben alle die gleiche Zeit, wir wissen alle nicht wie viel wir davon haben und wann sie verbraucht ist. Kein Mensch der Welt, egal wie groß die Rolex an seinem Handgelenk ist, oder seine Villa auf Malle, kann mehr Zeit für sich verbrauchen, als ihm zugedacht ist.

Jeder von uns hat seine eigenen Möglichkeiten Zeit zu nutzen. Dabei gibt es für mich kleine feine Unterschiede.

Es gibt Menschen die Schreiben mir, wenn sie Zeit haben und andere nehmen sich die Zeit mir zu schreiben. In beiden Möglichkeiten wird die Zeit genutzt, jedoch mit einer anderen Wahrnehmung.

Wenn ich meine Zeit aufrichtig einteile, verschenke oder vergeude mit Dingen, die in diesem Moment gut für mich sind, dann tut mir das gut. Meine Zeit zu verweigern, nicht zu verschenken, egoistisch für mich zu behalten, fühlt sich für mich allemal besser an, als Erwartungen zu erfüllen, wie ich meine Zeit zu verbringen habe. Die Qualität der Zeit verändert sich mit der Haltung in der ich sie verplane.

Die Zeit wird mit der Zeit immer wichtiger…

In meinen Begleitungen erlebe ich sehr oft, dass vertane Zeit betrauert, bereut wird. Am Ende sehen wir die Wichtigkeit der Zeit und Ihre Bedeutung. Viele erkennen das leider erst zum Schluss.

Aber die kostbaren Momente im Leben, die guten Zeiten, helfen in den letzten Stunden. Machen es leichter loszulassen, nicht mit dem Gegebenen zu hadern. Wenn die Zeit hier auf Erden gut und qualitätsvoll genutzt wurde, ist das am Ende eine sehr schöne Erkenntnis.

Meine liebe, alte Dame, die ich neulich besucht habe, jammerte fürchterlich, als ich bei Ihr war. Mit gutem Grund, denn ihr Gesundheitszustand wird immer schlechter, sie hat Schmerzen, und ich glaube viel Zeit bleibt ihr nicht mehr. Um sie etwas abzulenken, fragte ich, was ich für sie tun könnte, was ihr denn Freude bereiten würde. Darauf hin antwortete sie mir: „Sie machen mir Freude, mit ihrem Besuch und das sie mir ihre Zeit schenken!“

…und es fühlte sich für mich richtig an, in diesem Moment meine Zeit dieser schwerkranken, lieben, alten Dame zu schenken …