Der Tod ist scheiß uncool !

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„Wenn ich tot bin, soll mein Kumpel den Facebook-Status ändern in: Ich hab hier oben WLAN!“

Gelächter in der Klasse. Bingo. Treffer. Der Klassenclown hatte seinen ersten Einsatz sorgfältig geplant. Dann ging die Sache los. Und ich mittendrin.

Hospizarbeit als Unterrichtsstunde

Ungewöhnlich und Neuland für mich. Nicht für meinen fortschrittlichem Hospizverein. Der macht regelmäßig Besuche in den nahe gelegenen Schulen um mit den jungen Menschen über den Tod zu reden

Ganz ehrlich. In diesem Alter hat mich das Thema genauso viel interessiert wie das Bruttosozialprodukt von Niederösterreich. Da sollte ich nun vor eine Klasse mit 20 Schülern treten, die sich vermutlich auf die 90 Minuten mit mir genauso gefreut hatten, wie auf eine Reise an den Nordpol um Schnee zu schippen.

Ich war nervös. Und neugierig. Und unsicher.

Wir starteten die Fragerunde mit einem Experiment. Die Jugendlichen bekamen je einen Eiswürfel in die Hand und wurden gebeten den Zustand auszuhalten, ohne groß darüber zu reden.

Die Kälte ist unangenehm, das Wasser rinnt und kitzelt sich durch die Finger und erst nach einer gefühlten Ewigkeiten schmilzt es. Aufgabe war, mit nur ein oder zwei Worten zu beschreiben was sie dabei denken, während der Eiswürfel langsam zerfließt.

Aushalten. Verlust. Kälte. Zusehen und nichts tun können. Erlösung. Streß. Wärme. Genervt sein. Froh das es vorbei ist. Annehmen. Stille. Wut. Langsamkeit ertragen.

Das waren nur einige Gefühlsausdrücke und alle waren passend zum Thema Tod und Verlust. Sie erkannten, wie die Dinge zusammenhängen. Öffneten sich im Gespräch und fingen an kluge Fragen zu stellen. Viele bewegte das Thema, doch zugeben wollten es anfangs die wenigsten. Nach und nach tauten sie auf, wie die Eiswürfel, die sie eben noch in Händen hielten. Und dann konnten wir an Ihren Fragen erkennen, was sie beschäftige und wie tief mancher Verlust saß.

Wenn die Oma oder ein Elternteil stirbt, sind meist die Erwachsenen selbst von großer Trauer ergriffen. Da bleibt wenig Platz und Kraft, um den Teenager zu trösten. Meist zeigen die Jugendlichen ihre Trauer nicht so wie Erwachsene. Die Gefahr, als uncool zu gelten ist da groß. Tränen werden versteckt, nicht darüber gesprochen und die Eltern will man ja auch nicht zusätzlich belasten.

Wenn zum Beispiel ein geliebtes Haustier stirbt, wird das von den Mitschülern als nicht besonders spektakulär empfunden, der Jugendliche ist aber oft in tiefer Trauer.

Es gibt viele Gesichter der Trauer

Trauer entsteht ja nicht nur in Todesfällen, sondern generell wenn uns ein geliebter Mensch verlässt.

Meinen ersten Liebeskummer werde ich nie vergessen. Oh, ich wollte sterben, dachte ich könnte nie wieder glücklich sein. Jemanden zu verlieren ist immer schmerzhaft, unabhängig davon wie.

Das Experiment war geglückt

Tiefe Gespräche entstanden, es wurde zugehört, nachgefragt. Und gerade diejenigen die eben noch cool auf ihrem Stuhl saßen, ließen sich auf das Thema dieser ungewöhnlichen Schulstunde ein.

Am Ende der Stunde fragte ich nach Ihren Wünschen und es kamen sehr unterschiedliche Ideen. Besonders bewegt hat mich ein junger Mann der sagte:„Ich wünsche mir eine Besuchsstunde im Himmel. Hab da jemanden, dem ich noch was sagen muß.“

Ist das ein Gespräch, oder kann das weg?

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„Wie geht‘s dir?“ Eine alltägliche Frage. Wir stellen sie mehrmals am Tag, ohne uns die Zeit zu nehmen, die Antwort abzuwarten. Es ist zu einer Floskel geworden. Ohne Anspruch auf Erfüllung. Wehe es antwortet jemand nicht mit „Gut“ oder „Passt schon.“Dann erliegt man einem ungewolltem Gespräch oder spricht eine willkommene Einladung an den Hypochonder aus.

Auch ich ertappe mich dabei, die Floskel „ Alles Ok?“ zu benutzen. Einfach mal nachzufragen, banal, ohne eine ehrliche Antwort zu erwarten. Meist hat es keine Auswirkung auf mein Gemüt und der Gefragte fühlt sich nicht wirklich angesprochen. Unverbindliche Höflichkeitsfloskel. Gut für beide.

So eine oberflächliche Nachfrage kann aber in der Begegnung mit Schwerstkranken ziemlich nach hinten losgehen.

„Wie soll es mir schon gehen? Ich bekomme gerade meine vierte Chemo.“ Das entgegnete mir damals meine Mutter, als ich mit der Floskel “Wie gehts dir?“ ins Zimmer stürmte. Da wurde mir schlagartig klar, dass ich der prekären Situation, mit meiner unsensiblen Frage, noch ordentlich Futter gab.

Das ist jetzt schon einige Jahre her, aber noch immer mache ich mir Gedanken, womit ich das Gespräch beginnen soll, wenn ich in das Zimmer eines Kranken gehe.

Wie spreche ich mit jemanden der, wie ein Häufchen Elend im Bett liegt? Womöglich sich wenig oder unverständlich mitteilt. Was sage ich denn, wenn mich die Augen eines geliebten Menschen verloren ansehen, in der Hoffnung, ich hätte eine Lösung? Wie reagiere ich denn, wenn jemand vor mir liegt, den ich kaum wiedererkenne weil die Krankheit an seinem Körper bis zur Unkenntlichkeit an ihm gezehrt hat. Oder noch schlimmer, wenn der Tod greifbar nah ist, es alle wissen und spüren? Was sagt man denn da?

Es erfordert etwas Mut…aber es ist leicht zu schaffen.

Eine enorme Herausforderung, das Richtige zu sagen, sich richtig zu verhalten den perfekten Wortlaut zu treffen. Das ist oft der Grund, warum viele sich nicht in das Krankenhaus, auf die Palliativstation oder in das Hospiz trauen. Die Scheu vor der Kommunikation mit Sterbenden ist groß und die Angst, etwas falsches zu sagen, oder gar sprachlos zu sein hält davon ab, sich überhaupt in diese Lage zu bringen.

Oft höre ich: „Petra, was sagst du denn, wenn du zu deinen Begleitungen gehst? Gibt es da ’ne Regel?“ Nein, gibt es nicht. Es ist immer eine besondere Situation und auf manches kann ich mich vorbereiten, aber auf vieles nicht.

Mein Tipp für solche Fragen?

Authentisch sein. Ehrlich antworten. Wer am Herrgotts Türchen steht, hat keine Zeit und Lust mehr auf blödsinnige Floskeln oder umständliche Worte. Da ist Geradlinigkeit gefragt. Das ist nicht einfach, ich weiß, aber nach meinen Erfahrungen ist es der richtige Weg. Solang ich aufrichtig bei meinen Begleitungen bin, ehrlich antworte, und mich nicht verstelle, habe ich direkten Kontakt. Da sollte ich nichts mehr über die Langzeitwirkung von Globoli erzählen, sondern den „Istzustand“ annehmen. Zuhören, miteinander schweigen oder auch miteinander weinen.

Und wenn schon die Frage „ Wie geht‘s dir? „im Raum steht, weil man sie wieder viel zu schnell und unüberlegt ausgesprochen hat, dann würde ich noch ein kleines Wort anhängen. … „Wie geht‘s dir HEUTE?“ „Wie fühlst du dich JETZT?“

Und schon ist es keine Floskel mehr. Ich bin direkt bei der Person. Frage ehrlich und zeige aufrichtiges Interesse. Dann befinde ich mich gemeinsam, mit meinem Gegenüber, im Hier und im Jetzt. Das HEUTE und das JETZT zählt, denn viel mehr Zeit haben meine Begegnungen meist nicht mehr.