Viele von uns planen. Den Urlaub, die Geburtstagsfeier oder einfach nur den nächsten Wocheneinkauf. Zugegeben, ich bin keine große Planerin, nur da, wo es sein muss. Es fällt mir schwer, mich als freischaffende Künstlerin festzulegen, geschweige denn im Januar schon zu entscheiden, wo ich im August in Urlaub fahren möchte. Ich muss es ja Gott sei Dank nicht, denn kein Dienstplan schreibt mir vor, mich mit KollegInnen abzusprechen oder Ferienzeiten einzuhalten.
Aber obwohl ich nicht gerne für die Zukunft plane, habe ich eine Patientenverfügung und auch ein Testament. Auch meine Trauerrede habe ich schon geschrieben. Denn dafür habe ich in meinen Begleitungen schon zu viel Chaos erlebt. Dachte ich bisher …
Warum ich das hier auf der Sterbemundseite schreibe?
Na ja, bei meiner aktuellen Begleitung wurde mir wieder einmal klar, dass nichts im Leben planbar ist. Christa, 72 Jahre, eine wunderbare liebevolle Mutter, Ehefrau und Oma. Seit vielen Monaten kämpft sie mit ihrer Krankheit. Es ist ein stetiges Auf und Ab und jetzt kam das Ende deutlich in Sicht. Die Familie ist immer an ihrer Seite und vor allem ihr Mann, der sie aufopfernd pflegt und hegt. Letzte Woche war es dann so weit. Wieder ein Krankenhausaufenthalt, wieder legt sie sich mit dem Tod an. Die Ärzte meinen, dieses Mal gibt es keine weitere neue Chance.
Sie empfehlen, die künstliche Ernährung abzubrechen und den Dingen seinen Lauf zu lassen.
Es ist in ihrem Sinne, denn dafür wurde von ihr vorgesorgt, geplant. Mit einer Patientenverfügung. Da steht genau drin, dass sie nicht künstlich ernährt werden möchte. Keine lebenserhaltenden Maßnahmen mehr.
Jetzt wäre es an der Zeit, die Frau gehen zu lassen, so wie sie es für sich entschieden hatte. Sie ist bereits im Koma, als ihr Mann nach der entsprechenden Niederschrift gefragt wird.
Und da erlebte ich etwas, was ich so noch nicht erlebt habe.
Er gibt das Schriftstück nicht raus. Behauptet es, gäbe keine Patientenverfügung und den Ärzten sind die Hände gebunden, dürfen deshalb die lebenserhaltenden Maßnahmen nicht abschalten.
Ich war, vorsichtig ausgedrückt, schon sehr erstaunt über das Verhalten des Ehemanns. Sie hatte doch alles festgelegt, geplant. Warum hält er sich jetzt nicht daran. Ich fühlte mich hilflos, wusste ich doch um den Wunsch meines Schützlings. In meinem Unverständnis holte ich mir Rat bei meiner Koordinatorin. Was tun? Kann ich einfordern, dass er das Schreiben rausgibt? Wie sieht es denn da rechtlich aus? Es ist doch ihr Wille.
Ja und was soll ich sagen? Die wiederum hat mir gehörig den Kopf gewaschen.
„Petra, dieser Mann ist verzweifelt, er verliert gerade den liebsten Menschen. Da gelten keine Regeln der Vernunft. Da wurde wohl viel nicht gesagt, nicht wirklich besprochen, in den Zeiten als es noch möglich war. Für uns Hospizhelferinnen gilt es jedoch nicht zu bewerten, sondern für die Menschen da zu sein. Sie so zu nehmen wie sie sind. Wenn er für sich entschieden hat, seine Frau noch nicht gehen zu lassen, dann ist das eben so.“
Uff, das hat gesessen.
Aber sie hatte recht. Es ist nicht meine Aufgabe mich einzumischen, sondern wertfrei zu begleiten. Auch wenn es mir nicht in den Kram passt und wenn es für mich schwer zu akzeptieren ist.
Sie ist schnell verstorben, es gab keine lange Leidenszeit mehr. Vielleicht wusste sie schon, dass es an ihr liegt, zu entscheiden, wann sie gehen muss. Nicht nicht an einem Formular. Und sicher wusste sie, dass ihr Mann sie nie gehen lassen wird. Vielleicht war es ja doch irgendwie geplant …
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